14.2 Geschichte des Rastpfuhls im 18. und 19. Jahrhundert
18. Jahrhundert
Anfang des 18. Jahrhunderts war das heutige Gebiet des Rastpfuhls
überwiegend mit Wald bedeckt und es gab nur das
Torhaus am Wildzaun
des Malstatter Waldes, das dem „
Torhüter und Holzhauer [Hyronymi]
König als Wohnung diente“.[1] Der Malstatter Wald
erstreckte
sich damals [vom Torhaus aus] außer nach Norden
etwa 1000 Schritte [700
bis 750 m]
nach Süden und nach Osten bis zur Fischbach.[1]
Südlich davon gab es Äcker und Weideflächen.
Dies entspricht in etwa historischen Karten, die jedoch erst mit dem
späteren Aufkommen der Triangulation in der Geodäsie als hinreichend
genau bezeichnet werden können.
Abb. 14.3: Karte von Naudin (1730), Ausschnitt: Der Kreis
markiert die Lage des Torhauses. Basiskarte aus [2]
Die Bewirtschaftung der Äcker und die Viehhaltung erfolgte vom
Rastpfuhler
Hof aus.
Das frühste bekannte Dokument zum Rastpfuhler Hof ist der Vertrag zur
Verpachtung an Johann Ludwig Huf(f)schlag, der am 16. Dezember 1728
beurkundet wurde.[5] In dem Vertrag wurde der Hof noch als
Hof zu
Mohlstatt bezeichnet. Karbach weist in [6] darauf hin, dass diese
Bezeichnung von Hof und Schäferei stammt, die nach dem [Dreißigjährigen]
Krieg Graf Ludwig Kraft im Jahr 1700 erbaute und
beide [Hof
und Schäferei]
ursprünglich im unteren Malstatt gelegen waren.
Aus der Einleitung im Vertrag von 1728 geht auch hervor, dass der Hof
schon davor existiert hat und dass es sich um die erstmalige Verpachtung
handelte, wie
solche[r]
gnädigste Herrschaft bißhero beseßen
und durch dero Hofleuthe genoßen und geniesen laßen. Dabei ist
davon auszugehen, dass in der Zeit zwischen 1700 und 1756 die Gebäude
des Hofes dem ursprünglichen Namen entsprechend noch im unteren Malstatt
gelegen hatten.
Im 17. und 18. Jahrhundert wurden die meisten Höfe und Ländereien in der
Region im Eigentum des jeweiligen Landesherrscher als sogenannte
Temporalbestandhöfe
geführt, d.h., für mehrere Jahre an wechselnde Pächter verpachtet. Die
Verpachtung erfolgte durch Versteigerung an den Meistbietenden.
Pachtdauer, Pachtzins und Pachtbedingungen wurden in einem Vertrag
detailliert festgehalten. Im 18. Jahrhundert gab es in der
Grafschaft Saarbrücken 14 dieser Temporalbestandshöfe, der Rastpfuhler
Hof war von 1728-1788 einer davon.[6]
Die anfallenden Arbeiten auf dem Hof und auf den Feldern erledigten
stunden- oder tagesweise leibeigene Arbeiter und Arbeiterinnen im
Frondienst. Zu Erntezeiten waren bis zu 360 Fröner
beschäftigt.[1],[6],[21] Daneben gab es auf dem Hof ständig 2 Knechte
und eine Magd, die als Leibeigene gegen Kost und Logis ihr
gezwungenes
Jahr[21] ableisteten.
Im Jahr 1756 ließ Fürst Wilhelm Heinrich Waldflächen abholzen, um damit
die zum Hof gehörenden Ländereien (Äcker, Gärten, Wiesen) zu erweitern
und kaufte das Haus des Torhüters und Holzhauers (Hieronimi[22]) König
im heutigen Zentrum des Rastpfuhls, das von da an dem Pächter als
Wohnung diente[1],[6]. Auch wenn es sich bei den Flächen bis auf die
Erweiterungen um dieselben des Malstatter Hofs gehandelt hat, ist streng
genommen die Bezeichnung
Rastpfuhler Hof erst ab 1756
gerechtfertigt. Als letzte Bezeichnung hat sich jedoch der Name in allen
bekannten Dokumenten verfestigt, insbesondere in [1] und [6].
Im
Inventarium von 1768 (in[6] enthalten) wird jedoch noch der R
aschpfuhler
Hof von der
Schäferey zu Mohlstatt unterschieden.
In [22] führt Christian Lex zur
Meyerey Mohlstatt gehörend zwar
das
Dorf Burbach, der Fischbacher Hof und des Thorhüters Hieronimi
Königs Haus am Raschpuhl sowie die
Schäferey im unteren
Malstatt auf, ein Malstatter oder Rastpfuhler Hof wird jedoch nicht
explizit erwähnt.
1776 wurde der Hof jedoch von Fürst Ludwig per Versteigerung für 3.548
Gulden verkauft, so dass sich das Pachtverhältnis für die Zeit 1776 bis
1788 nur noch auf die Schäferei bezieht.[1],[6]
Bei der Versteigerung des Hofes waren die Kinder des ehemaligen
Torhüters König die Meistbietenden. In einem Bannbuch (Vorläufer des
heutigen Grundbuchs) der Dörfer Malstatt und Burbach ist der
Eigentümerwechsel von der
Gnädigsten Herrschaft auf
Johannes
Stegenritt und
Lorenz König zu je 1/2 mit dem Datum 3.
Juni 1776 dokumentiert.[23]
Die beiden legten dann eine Gastwirtschaft an, die spätere Gaststätte
„Holzwarth“, Rastpfuhl 4/5.[1]
Weitere, umfangreiche Informationen zum Rastpfuhler Hof einschließlich
zugehörige Ländereien und Schäferei in der Temporalbestandszeit sind im
Kapitel
14.2.1 Der
Rastpfuhler Hof im 18. Jahrhundert enthalten.
Weitere bekannte Versteigerungen (19. Jahrhundert)
Für die Jahre 1818 und 1859 sind jeweils eine weitere Versteigerung von
Gebäuden bzw. Wiesen und Äckern bekannt.[7]
1818 handelte es sich um die
Preparatorische Versteigerung eines
einstöckigen Wohnhaus , nebst Scheuer , Stallung auf dem
Rastpfuhl. Bei dem präparatorischen Verfahren wurden Schuldner und
Gläubiger im Konkursfall angehört mit dem Ziel, sich eine Übersicht über
alle vorhandenen Informationen zu verschaffen. [8]
Die Versteigerung 1859 betraf verschiedene Wiesen und Äcker in den
Flurstücken
Hinter Rastpfuhl, In der Rastbach, Oberer Hölzersbach,
Oberer Heubügel und
Im Knappenroth.
19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Rastpfuhl langsam aber stetig,
entsprechend stieg die Einwohnerzahl an. Für das Jahr 1820 wird eine
Einwohnerzahl von 6 Personen in 2 Häusern auf 2 Bauerngütern angegeben
[9]. 1830, d..h., nur zehn Jahre später wurden 4 „Feuerstellen“
(bewohnte Gebäude) mit insgesamt 32 Einwohnern gezählt [10].
Für das Jahr 1843 werden in [11] 6 Wohnhäuser mit insgesamt 44 Personen
genannt, 23 männliche und 21 weibliche,
42 katholische und 2 evangelische. Am Ende des Jahrhundert gab es auf
dem Rastpfuhl 10 Häuser mit 13 Haushalten [12].
Parallel zur Wohnbebauung haben sich auf dem Rastpfuhl an drei
verschiedenen Standorten Ziegeleien angesiedelt, [11], [12], s.a.
Abb. 14.4. Näheres dazu s
Kapitel 7.1 und
Kapitel
13.1
Dementsprechend finden sich unter
den Einwohnern auch die Fabrikarbeiter und -Besitzer [12].

Abb. 14.4: Wohn- und Industrieanlagen auf dem Rastpfuhl im 19.
Jahrhundert (
höher
aufgelöste Grafik als PDF-Datei)
Meteorisches Ereignis im Jahre 1826
In den Annalen der Physik berichtet der deutsche Naturwissenschaftler
Chladni über eine lautstarke „
meteorische“
Erscheinung,
die am 1. April 1826 auf dem Rastpfuhl beobachtet wurde [13]. Ob es sich
dabei um den Niedergang
eines Meteors oder um ein Wetterphänomen handelte, bleibt offen.
Der Rastpfuhl im
Deutsch-Französischen Krieg 1870/71
Der
Rastpfuhl war im im Deutsch-Französischen Krieg vom 31. Juli
[14] bis zum 2. August 1870 Aufstellungs- und Rückzugsgebiet der
Preußen.[14],[15],[16]
Am 1. und 2. August 1870 brachte der französische General
Frossard seine Truppen auf den Höhen in Saarbrücken links der
Saar, d.h. auf dem alten Rothenhof (heute: Triller), dem
Winterberg und dem damaligen Exerzierplatz auf der Bellevue in
Stellung. [1],[17],[18].
Angesichts der Übermacht der Franzosen hatten sich die
preußischen Truppen auf die rechte Saarseite zurückgezogen. Auf
Befehl von General Gneisenau hatte sich ein Großteil der Preußen
auf dem Rastpfuhl versammelt. [15], [16]
Von der Bellevue aus, wo mindestens 30 bis 36 Geschütze standen,
beschossen die Franzosen die beiden damals vorhandenen
Saar-Brücken zwischen (Alt-)Saarbrücken und St. Johann, den
Bahnhof in St. Johann und den Rastpfuhl, wo lediglich 4
preußische Geschütze aufgestellt waren. [18] Auf dem Rastpfuhl
wurde ein Wirtshaus in Brand geschossen und der Geschützführer
Unteroffizier Traugott Roemer getötet sowie 3 Kanoniere
verwundet. [1], [14] Im Jahr 1884 wurde dem Soldaten Römer zu
Gedenken vor dem heutigen Haus Rastpfuhl 8 ein Denkmal
errichtet, s. Abb. 14.5.
Auf der Bellevue war auch Kaiser Napoleon III anwesend. Der
Legende nach feuerte sein 14-jähriger Sohn Napoléon Eugène Louis
Bonaparte, „Lulu“ genannt, von dort aus seinen ersten
Kanonenschuss ab. An dieses Ereignis erinnert heute noch der
„Lulustein“ an der gleichnamigen Straße in Saarbrücken.[17]
Am Abend des 2. Augusts zogen sich die Franzosen auf Stellungen
auf den Spicherer Höhen zurück, die Preußen weiter nach
Hilschbach, heute Ortsteil von Riegelsberg. [16]
Erst am 6. August kehrten die preußischen Truppen über die
Lebacher Straße nach Saarbrücken zurück und nahmen an der
Schlacht bei Spichern teil. [17], [19]
|

Abb.
14.5:
Denkmal von 1884 für Traugott Roemer
|

Abb. 14.6: Zeitgenössische
Darstellung des Beschusses des Rastpfuhl im August 1870 (aus [14])
Territoriale Zuordnung [1],[20]
Bis 1793 gehörte der Rastpfuhl zum Bann des Dorfes Malstatt und damit
zur Grafschaft Saarbrücken. Nach der Besetzung durch französische
Truppen im Jahr Januar 1793 wurde die Grafschaft im Oktober 1797 im
Frieden von Campo Formio an Frankreich abgetreten. Malstatt und damit
der Rastpfuhl wurden dem Kanton Saarbrücken zugeteilt, ab dem Jahr 1800
der Mairie Saarbrücken. Bis 1814 blieb Malstatt französisch. Erst im
zweiten Pariser Frieden im November 1815 fiel Malstatt an Preußen und
gehörte zum Kreis Saarbrücken, s.a.
Abschnitt 3.4 in
Kap.
3 Lage und regionale Einordnung.
Quellen:
- Köllner, Friedrich, Köllner, Adolf, Ruppersberg, Albert:
Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrücken, III. Teil
(Geschichte der Stadt Saarbrücken), 2. Band, 2. Auflage 1914.
Nachdruck 1979, Verlag Saarbrücker Bücher St. Ingbert. ISBN 3-921
815-06-1
- Karten von Naudin, online
auf den Internetseiten des Comité d’Histoire Régionale, Région
Grand Est, Zone C03 / Z03-03
- Otzen, Barbara u. Hans: Saarländer Landesgeschichte, S. 26,
online (PDF-Datei)
- Lebensdaten zu Friedrich Ludwig, Nassau-Ottweiler, Graf auf
den Internetseiten
Deutsche Biograpphie
- Acta zur Schäferei und dem Rastpfuhler Hof auf Malstatter Bann,
1728. In: Schäferei und Rastpfuhler Hof auf Malstatter Bann
von 1728 – 1788. LA SB, Sign. NS II, Nr. 2754, Blatt 1-215
- Karbach, Jürgen: Die Geschichte der Temporalbestände in der
Grafschaft Saarbrücken und der Herrschaft Ottweiler des
Fürstentums Nassau-Saarbrücken im 18. Jahrhundert. In:
Historischer Verein für die Saargegend (Hrsg.): Beiträge zur
Geschichte Saarbrückens , Zeitschrift für die Geschichte der
Saargegend, , 47. Jahrgang 1999, S. 86ff, ISBN 3-921870-06-2
- Beiträge im Forum Ahnenforschung.Net vom 4.
Mai 2010 und vom 2. Juli 2011
- Informationen zum Präparatorischem Verfahren, im frühern
Konkursprozeß in Meyers Großes Konversationslexikon (6. Auflage, 1905–1909),
digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for
Digital Humanities, Version 01/23, online
- Rumpf, Johann Daniel Friedrich u. Heinrich Friedrich:
Vollständiges topographisches Wörterbuch des preußischen Staats:
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- Restorff, Friedrich von: Topographisch-Statistische
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das Ortschafts-Verzeichniß nebst der Entfernungs-Tabelle, einer
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tischen Ortschafts-Register, Band 2 Trier, 1846; Druck und Verlag
der Linz'schen Buchhandlung.
- Adressbuch von Malstatt-Burbach 1900
- Chladni, E.F.F.: Ueber eine merkwürdige meteorische
Erscheinung, am 1. April 1826, nicht weit von Saarbrücken.
Annalen der Physik, Bd. 83 (Jg. 1826), Stück 3/IX; S. 373ff.
- Ruppersberg, Albert: Saarbrücker Kriegs-Chronik : Ereignisse
in u. bei Saarbrücken u. St. Johann, sowie am Spicherer Berge.
Nachdr. d.Ausg. 1895. Saarbrücker Bücher Queisser Verlag St Ingbert,
1978, ISBN 978-3-921815-01-4
- Hirth, Georg: Tagebuch des deutsch-französischen Krieges
1870-1871, Erster Band, Vom 3. Juli bis 28. August 1870,
Commissions-Verlag von Stilke & van Muyden, Berlin, 1871.
- La Guerre de 1870-71, IV, Journées des 1er et 2 Août,
Librairie militaire R. Chapelot et Ce, Paris 1901
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6. August 1870 - Kap. 4. Die Schlacht bei SPICHERN. Online auf http://www.saarland-lese.de
- Held, Alexis: Der Antheil der bayerischen Armee an dem
Nationalkriege an dem Nationalkriege gegen Frankreich im Jahre
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du 5 au 6 Août 1870. In:
Maistre, Paul: Spicheren (6 août 1870). Berger-Lefrault & Cie,
Éditeurs, Paris, Nancy 1908
- Burg, Peter: Saarbrücken im revolutionären Wandel (1789-1815)
In: Wittenbrock, Rolf (Hrsg.): Die Geschichte der Stadt Saarbrücken,
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- Karbach, Jürgen: Die Bauernwirtschaften des Fürstentums
Nassau-Saarbrücken im 18 . Jahrhundert. Dissertation an der
Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes.
Veröffentlichungen der Kommission für saarländische Landesgeschichte
und Volksforschung – X, Saarbrücken 1977, Kommissionsverlag:
Minerva-Verlag Thinnes Si Nolte OHG
- Informationen zur Meyerey Mohlstatt. In: Bericht von
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Saarbrücken gehöriger Dorfschaften, 1756. LA SB, Sign. N-S I 1
- Bannbücher der Dörfer Malstatt und Burbach: Realkataster, nach der
Vermessung von Feldmesser Johann Wilhelm Meurer, 1765 ff. StA SB,
BLF 30
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